Im Land des Osterhasen (2)


Kaum war Isa durch das Portal durch, ergriff jemand ihre Hand. „Nein!“ Isa zog ihre Hand erschrocken zurück und trat einige Schritte zurück. Ihr gegenüber stand das Kaninchen. Jedoch war dieses nun etwa genau so groß wie sie, trug eine grüne samtene Jacke, eine ebenso grüne kurze Hose und einen schwarzen Zylinder, verziert mit bunten Ostereiern auf dem Kopf. Es stand auf seinen Hinterläufen und ähnelte auf einmal fast einem Menschen.

„Bitte entschuldige, ich hatte nicht vor, dich zu erschrecken. Hier im Land des Osterhasen sind wir Kaninchen größer als im Land der Menschen und können gehen, wie die Menschen“, sagte das Kaninchen zu ihr, trat zwei Schritte zurück und verbeugte sich würdevoll vor ihr. Dabei nahm es mit einer Pfote den Zylinder vom Kopf. „Darf ich mich vorstellen? Mein Name ist Semeno. Ich bin die rechte Hand des Osterhasen.“ Isa sah wie gebannt zu Semeno dem Kaninchen und fühlt sich auf einmal ganz schwach auf den Beinen. „Ich, … ich …“, alles drehte sich um sie herum. Der Boden schien unter ihren Füßen zu wackeln und sie kämpfte mit ihrem Gleichgewicht. Dann wurde alles auf einmal ganz schwarz.

Im Land des Osterhasen - Wolken Sternchen - Lese- und Hörspieleschichten für Kinder und ihre Eltern

„Wo bin ich?“, als Isa ihre Augen wieder aufschlug, fand sie sich in einem weichen Himmel-Bett wieder. Sie rieb sich ihre Augen und setzte sich auf. Das Bett in dem sie lag, befand sich in der Mitte eines großen Zimmers. Die Wände des Zimmers waren aus lauter kleinen bunten Ostereiern und es hatte drei große Fensterfronten die vom Boden bis zur Decke ragten. Draußen vor den Fenstern lag ein prachtvoller Garten mit den buntesten und schönsten Blumen die Isa je gesehen hatte. Direkt neben ihrem Bett hing vom Baldachin des Bettes ein langes und dickes Seil herunter. Oben an dem Seil war eine Glocke befestigt. „Hmm“, machte Isa und griff neugierig nach dem Seil. Vorsichtig zog sie daran.

„Kling-Kling-Kling“

Isa grinste über das ganze Gesicht. Es machte ihr einen riesen Spaß, an dem Seil zu ziehen, und die Glocke klingelt so schön. Als sie ein viertes Mal an dem Seil ziehen wollte, öffnete sich die Tür zu ihrem Zimmer und Semeno, das Kaninchen trat herein. „Guten Morgen“, sagt es und ging neben ihr Bett. „Gut das du wieder wach bist. Hier trink, das wird dich stärken.“ Semeno reichte ihr eine Tasse warmen Kakao. „Danke.“ Dankbar nahm Isa den Kakao entgegen und trank zwei, drei Schluck, bevor sie sich wieder an das Kaninchen wandte. „Wo bin ich hier?“ – „Du bist im Palast des Osterhasen. Nachdem du ohnmächtig geworden bist, habe ich dich hier her gebracht. Und der Osterhase hat mich damit beauftragt, dich sofort zu ihm zu bringen, sobald du wieder wach bist.“ Semeno betrachtet Isa aufmerksam. „Geht es dir gut genug um den Osterhasen kennen zu lernen?“ „Ich glaube schon.“ Isa schob die Decke zur Seite und stand auf. Was für eine Frage. Natürlich wollte sie den Osterhasen kennen lernen. Davon träumte sie schon so lange, sie sich erinnern konnte. „Gut“, sagte Semeno und musterte Isa von oben bis unten. „Eventuell solltest du dir vorher noch etwas anderes anziehen?“ Isa folgte seinem Blick und sah an sich herunter.

Sie hatte immer noch den Schlafanzug an, den sie zum Schlafen angezogen hatte. Oh, das hatte sie gar nicht mit bekommen und so lächelte sie Semeno verlegen an. „Ich habe leider nichts anderes dabei“, sagt Isa entschuldigend. „Das Problem können wir schnell lösen.“ Semeno ging zum Seil mit der Glocke und zog einmal daran. Kaum war das Klingeln der Glocke verklungen, kamen auch schon drei Kaninchen-Damen herein. Sie gingen, genau wie Semeno, auf den Hinterläufen und trugen wunderschöne Kleider. Isa konnte ihren Blick nicht von ihnen abwenden. Sie sahen so bezaubernd aus. Am liebsten hätte sie ihre Hand nach ihnen ausstrecken und ihr samtweiches Fell berührt. Aber sie hielt sich des Anstandes wegen zurück und begnügt sich damit, sie einfach nur anzusehen. „Meine Damen“, sprach Semeno nun zu den drei Kaninchen-Damen. „Würdet ihr wohl so freundlich sein und unserem Gast dabei helfen, etwas passendes zum Anziehen zu finden?!“ Die drei nickten freundlich und Semeno wendet sich wieder Isa zu. „Ich werde vor der Tür warten, bis du fertig angekleidet bist und dich dann zum Osterhasen bringen“, er verbeugt sich höflich und ging aus dem Zimmer. Hinter ihm wurde die Tür geschlossen und Isa blieb mit den drei Kaninchen-Damen zurück.

Als Isa fertig angekleidet war, ging sie zu Semeno, der wie versprochen vor der Tür auf sie gewartet hatte. Skeptisch sah er sie an. Sie hatte sich anstelle eines Kleides für eine Sonnenblumen gelbe Hose und ein Oberteil mit Blumenmuster entschieden. Ihr gefiel es, weil sie so wesentlich mehr Bewegungsfreiheit hatte. Ihre Haare waren kunstvoll geflochten und hochgesteckt worden. „Nun gut“, sagte Semeno. „Bitte folge mir.“ Er ging voran und Isa folgte ihm.

Sie gingen durch einen langen Gang, von dem aus immer wieder andere Gänge abzweigten. Mal bogen sie in einen der Gänge ab, mal stiegen sie eine Treppe hinauf, dann wieder hinab. Überall gab es Blumen und ihr Duft erfüllte das gesamte Schloss. Alles war bunt und fröhlich und genau so, wie Isa es sich immer vorgestellt hatte. Ostern fand sich hier überall.

Schließlich gelangten sie an eine große Tür, die größer als die anderen war. Semeno hob seine Pfote und klopfte mit dem großen metallenen Türklopfer gegen die Tür. Sie mussten nicht lange warten, bis sich die Tür öffnete. Semeno trat als erster in den Raum und Isa folgte ihm einige Schritte hinterher.

Der Raum in dem sie nun waren, verschlug Isa die Sprache. Sie hatte erwartet, dass hier alles genau so von Farben erfüllt sein würde, wie im Rest des Schlosses, doch hier war alles grau und zerfallen. Die Blumen waren verblüht und ließen farblos ihre Köpfe hängen. Überall lag Staub und auch, wenn der Raum große Fenster hatte, drang das Licht der Sonne nicht herein. Es schien ganz so, als würde ihr Licht von einer unsichtbaren Macht daran gehindert werden, hier rein zu kommen. Alle Farbe war aus diesem Raum verschwunden. Isa schlang ihre Arme um ihren Körper. Ihr war plötzlich kalt, denn bei diesem Anblick durch fuhr sie ein Schauder und sie bekam eine Gänsehaut. Was war hier nur passiert?

Semeno ging tiefer in den Raum hinein und Isa folgte ihm vorsichtig. Schließlich blieben beide vor einem großen Sessel stehen, der mit der Rückseite zu ihnen gewand stand. „Herr“, sagte Semeno mit leiser Stimme. „Das Mädchen, auf das sie gewartet haben, ist nun hier.“ Eine Weile war es still und Isa war sich nicht sicher, ob der Osterhase tatsächlich hier war oder ob sie nicht alleine in diesem unheimlichen Raum waren.

„Sehr gut.“ Eine tiefe, aber von Schwäche gezeichnete Stimme erklang. „Sie soll zu mir kommen, damit ich sie sehen kann.“ Semenon wies Isa mit dem Kopf an, auf die andere Seite des Sesels zu treten. Isa, die sich immer unwohler fühlte, zögerte. „Du kannst ruhig gehen. Er wird dir nichts tun“, aufmunternd lächelte Semenon Isa zu. Isa ging um den Sessel herum auf die andere Seite. Nun sah sie zum ersten Mal das Gesicht des Osterhasen.

Der Osterhase sah genau so trostlos aus, wie der ganze Raum, in dem sie sich befanden. Er war tief in seinen Sessel gesunken und hatte eine Decke über seine Beine gelegt. Seine Ohren hingen herab und sein Fell, das sicher einmal braun und glänzend gewesen war, war nur noch matt und hatte allen Glanz verloren. Er sah zu Isa, die nun vor ihm stand. „Endlich bist du gekommen“, sagte der Osterhase. „Ich habe so lange auf dich gewartet.“

Autorin: Andrea Laukamp

————– Fortsetzung ——————

 



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(Spieldauer: ca. 63 Min.)


Kann sein das sich in meine Geschichte der eine oder andere kleine Fehler eingeschlichen hat. Für den Fall das Dir ein solcher beim Lesen aufgefallen ist, darfst Du ihn gerne behalten. ;-)

 

Wolken

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Mit lieben Grüßen

Andrea

10 Gedanken zu “Im Land des Osterhasen (2)

  1. nici sagt:

    Oh wow.. Wunderschön. Teil 1 werde ich mir gleich durchlesen 😉
    Auf das „Hörbuch“ freue ich mich. Ich mag es, wenn Blogger so kreativ werden.

    Alles liebe

    1. Wolken Sternchen sagt:

      Hallo Ina,

      es freut mich das dir die Geschichte gefällt und ich hoffe das deine Tochter sie auch mag. Evtl. magst du mir ja später berichten wie ihr die Geschichte gefallen hat?

      Liebe Grüße nach Norwegen
      Andrea

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